Abrüstung an der Weckerfront
Ich beginne diesen Artikel mit einem Coming Out: Ich bin eine Eule! Das heißt nichts weiter, als daß ich, wenn ich mir freien Lauf lasse, später aufstehe, aber auch später schlafen gehe als der Durchschnitt der Bevölkerung. Es sagt nichts über meine Schlafdauer aus (die liegt, wenn ich kein Schlafdefizit abzubauen habe, um die acht Stunden) – also nichts mit „Langschläfer“.
Ich werde immer leicht unmutig, wenn frühes Aufstehen als erstrebenswerte Tugend hingestellt wird – das Ding an meiner Veranlagung ist nämlich nicht, daß ich so spät aufstehe, sondern daß ich abends noch einmal richtig munter werde und noch einmal ein richtiges Leistungshoch habe. Das verträgt sich naturgemäß schlecht mit dem frühen Schlafengehen, das mit dem frühen Aufstehen korrespondieren muß, damit kein Schlafdefizit entsteht. An der Quantität der Leistung, die ich (gut ausgeruht) bringe, und an der Zeit, die ich wach bin, ändert das gar nichts. Auch wenn Menschen, deren Leistungshoch am Morgen liegt, das seltsam beäugen – mein Leistungshoch liegt, wenn ich meinem eigenen Rhythmus folgen kann, ein gutes Stück später.
Mit Leichtigkeit früh aufstehen zu können, ist schlicht eine Veranlagung. Spätmenschen können sich daran zu einem gewissen Grad anpassen, aber für einen echten Spättypen ist diese Anpassung immer mit merklicher Disziplinierung und Anstrengung verbunden. Die Tendenz des eigenen Biorhythmus bleibt spürbar, und ich halte nichts davon, ein Anleben gegen die eigene Veranlagung zu glorifizieren.
Aber ich lebe nun mal in einer Gesellschaft, die auf Menschen ausgerichtet ist, die ohne Probleme zwischen sechs und sieben Uhr morgens aufstehen. Daraus ergibt sich: Ohne Wecker geht es nicht, und zur Snooze-Funktion habe ich eine intensive Haßliebe.
Zu eben dieser fragte jetzt Sabine Gysi von imgriff.com auf Facebook:
Mein ärgster Feind: Die Snooze-Taste. Sie beschert mir schon vor dem Einschlafen Albträume. Im Internet finden sich viele – teilweise brutale – Tipps, um die Snooze-Gewohnheit zu überwinden. Welches sind Eure Methoden?
Ich habe dazu einiges zu sagen, den ich hatte einmal die Großmeisterschaft im Snooze-Taste-drücken-und-Weiterschlafen. Zeitweilig konnte ich das sogar mit einem Wecker, der am anderen Ende des Raums steht. Ich bekam Ratschläge wie den, einen Parcours aus Wassereimern zwischen mich und den Wecker zu bauen. Diverse Gadget-Fachhändler führen Wecker, die wegrollen oder -fliegen und eingefangen werden müssen, um sie auszuschalten. Ich hatte unter Umständen eine Kaskade aus drei Weckern (alle verschieden klingend und verschieden weit vom Bett entfernt, im Abstand von 5 oder 10 Minuten klingelnd). Auch das half nur beschränkt, und ich brauchte immer härtere Maßnahmen, um aus den Federn zu kommen.
Irgendwann beschloß ich: Das muß ein Ende haben! Schluß mit der Quälerei! Abrüstung an der Weckerfront!
Und folgende Maßnahmen habe ich ergriffen:
Gut einschlafen, besser aufwachen
Mal ehrlich: Wie fühlt Ihr Euch am Morgen, wenn Ihr Euch in der Nacht zuvor stundenlang schlaflos im Bett gewälzt habt und erst nach Stunden schlafen konntet? Na? Besonders frisch jedenfalls nicht.
Solche Nächte gibt es manchmal einfach. Bei mir treten sie aber besonders gerne auf, wenn ich ins Bett gehe, bevor ich müde bin. Deswegen – und das widerspricht jetzt scheinbar dem, was ich weiter unten über Schlafdefizit sage – gehe ich erst ins Bett, wenn ich eine gewisse Müdigkeit erreicht habe – allerdings auch nicht später. Deswegen versuche ich auch, das Smartphone aus dem Bett herauszuhalten (auch wenn es, als Wecker, daneben liegt). Nicht noch einmal um Mitternacht in Facebook oder Twitter gucken.
Zwei Dinge helfen mir, um Erregung abzubauen: Progressive Muskelentspannung und geführte Meditationen. Aber auch die sind eher kontraproduktiv, wenn ich noch putzmunter bin; dann kann es sein, daß ich nach einer Runde Progressive Muskelentspannung gut erholt und um so wacher bin.
Guter Schlaf ist der Schlüssel dazu, daß ich morgens auch ohne Jammern und Wehklagen aus den Federn komme.
Die Übermüdungsfalle
Es klingt paradox, aber: Manchmal bin ich spät abends so müde, daß ich auf dem Sofa im Halbschlaf vor mich hindöse (um richtig darauf zu schlafen, ist mein Sofa zu klein) und mich nicht dazu aufraffen kann, ins Bett zu gehen. In so einer übermüdeten Situation ist es mir schon zuviel, aufzustehen und meine Zähne zu putzen. Abhilfe: Dem „ich sollte eigentlich noch“ den Mittelfinger zeigen und schnurstracks ins Bett gehen, notfalls mit ungeputzten Zähnen (auch da wieder: Warum macht Menthol, in den meisten Zahncremes enthalten, so knallwach? Vielleicht sollte ich mal was Mentholfreies zum Zähneputzen verwenden). Das mit den ungeputzten Zähnen sollte nur nicht zur Gewohnheit werden.
Morgen- und Abendrituale
Morgenrituale sind zweifellos sinnvoll, ich habe mir einmal eine ergänzende Abendroutine ausgedacht. In groben Zügen halte ich die auch immer noch durch. Der Schlüssel ist: Das Abendritual hilft mir beim „Herunterkommen“ und gibt mir die Gewißheit, daß ich gut auf den nächsten Tag vorbereitet bin und geschmeidig starten kann, ohne mich großartig um Triviales zu kümmern. Feste Gewohnheiten für den Morgen machen es mir leichter, aus dem Bett zu kommen – ich kann alltägliche Dinge „auf Autopilot“ erledigen, ohne daß ich große Entscheidungen treffen müßte, ob ich mir jetzt die Haare kämme oder lieber erst nach dem Frühstück.
Koffein und Tagesrhythmus
Auch bei mir hat der Tag erst angefangen, wenn ich meinen morgendlichen Kaffee (stark und schwarz) ausgetrunken habe. Koffein macht mich wach, wenn ich wach sein will… und manchmal auch länger, als ich eigentlich will. Deswegen gibt es für mich nach fünf Uhr nachmittags nur in größten Ausnahmefällen koffeinhaltige Getränke – kein grüner, schwarzer oder weißer Tee, keine Mate, kein Kaffee und auch keine Cola. Statt dessen trinke ich lieber Kräutertee oder Chai ohne Schwarztee. Aber auch bei Kräutertees achte ich auf die Inhaltsstoffe. Nicht nur grüner und schwarzer Tee wirken anregend, auch Ingwer kann diese Wirkung entfalten.
Schlafdefizit in Grenzen halten
Was ich auch über mich herausgefunden habe: Ich verschlafe vor allem dann, wenn ich über mehrere Tage ein heftiges Schlafdefizit aufgebaut habe. Einen Tag mal mit nur 5 Stunden Schlaf klarkommen geht, der zweite ist kritisch, am dritten verschlafe ich dann garantiert.
Spätestens am Wochenende sorge ich für einen Tag, an dem ich so lange schlafen kann, wie ich will. (Der Luxus, Single ohne Kinder zu sein.) Nach Wochenend-Reisen, auf denen ich erfahrungsgemäß bis spät in die Nacht mit FreundInnen wach bleibe, nehme ich mir deswegen gerne den Montag noch frei, um mich auszuruhen. Einen Tag in der Woche brauche ich ohnehin als „Schlunz-Tag“ – ein Tag, an dem ich mir genehmige, so richtig gepflegt zu faulenzen und nur das zu tun, worauf ich gerade Lust habe.
Und wenn ich nicht zu einer bestimmten Zeit aufstehen muß – wenn ich also nicht zur Arbeit muß und keine Termine am Vormittag habe – stelle ich auch keinen Wecker. Das heißt nicht, daß ich dann auch den halben Tag verschlafe, sondern nur, daß ich dann aufstehe, wenn ich von selbst aufwache.
Angenehm aufwachen
Seit ich ein Smartphone habe, nutze ich als Wecker die Android-App Sanfter Wecker. Der Trick daran ist, daß sie eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Wecker einen leisen Vorwecker abspielt. Befindet man sich zu diesem Zeitpunkt gerade im Leichtschlaf, weckt einen das – und auch wenn man den ausmacht, man schläft dann nicht tief genug wieder ein, um den folgenden richtigen Wecker zu überhören. Als Weckton habe ich mir angenehme Musik ausgesucht.
Und um den Wecker ganz auszumachen, muß man eine leichte Aufgabe lösen – entweder eine Rechenaufgabe oder drei aufleuchtende Punkte in einem Feld von 4 x 4 Punkten in der richtigen Reihenfolge antippen. Pillepalle mit wachem Hirn, im Halbschlaf kaum zu schaffen.
Die Weckerkaskade setze ich jetzt nur noch ein, wenn wirklich viel davon abhängt, daß ich rechtzeitig aufstehe: etwa, wenn ich verreisen will und einen Zug um eine bestimmte, frühe Uhrzeit rechtzeitig erreichen muß. Der Trick ist, daß ich unter diesen Bedingungen (möglichst wenig Schlafdefizit, und der Wecker klingelt nur, wenn von meinem zeitigen Aufstehen auch etwas abhängt) tatsächlich auch rechtzeitig wach werde, wenn es wichtig ist.
Ob ein Lichtwecker was bringt, wäre noch zu probieren. Wenn, dann möchte ich nämlich einen anständigen haben, der auch hohe Lichtstärken erreicht – sonst bringt das nämlich gar nichts.
Ein interessanter Beitrag, der mir aus der Seele spricht. Als kleine Ergänzung vielleicht noch: Einschlafen und Aufstehen geht viel einfacher, wenn man jeden Tag (möglichst auch am Wochenende und in den Ferien) zur selben Zeit aufsteht.
Ich habe zum Geburtstag einen Lichtwecker geschenkt bekommen und war am Anfang auch skeptisch. Aber mittlerweile empfinde ich es als sehr angenehm nicht von Radiogedudel oder schrillen Klingeltönen geweckt zu werden. Die Lichtstärke lässt sich einstellen, allerdings wird der Wecker auf hohen Stufen sehr warm.
Ja, das mit dem „immer zur selben Zeit“ habe ich auch schon oft gehört/gelesen. Für Eulen wie mich erfordert das nur tierisch viel Disziplin – und Disziplin, so glaube ich inzwischen, ist nicht unendlich strapazierfähig, sie ist eher sowas wie eine endliche Ressource. Irgendwann will sie Pause haben. Darum lasse ich es zu, daß sich im Urlaub mein Rhythmus verschiebt. „Sich gehen lassen“ muß nämlich auch manchmal sein.