Ich hatte den Gedanken schon länger: Meine „Schreibstube“ wurde ja aus einem einzigen Forenbeitrag geboren. Ich glaube, auf dem ursprünglichen Forum ist er längst nicht mehr vorhanden. Diesen Beitrag wollte ich gern mit Euch teilen. Hier ist er – Usernamen habe ich ausgelassen:
Hallo xx,
Irgendwie fühle ich mich gerade von meinem Studium überfordert. […] Ihr kennt nicht zufällig eine gute Methode, etwas Ordnung in mein Studienchaos zu bringen und das Ganze irgendwie halbwegs systematisch anzugehen?
Herzlich willkommen im Club der Aufschiebe-Geplagten! Und gut, daß Du das schon im ersten Semester angehen willst. Viele bemerken das Problem ja erst viel später… *sigh* *auf ihren Ava schiel*
Vielleicht solltest Du erst einmal eine Bestandsaufnahme machen: Was ist alles liegengeblieben? Was mußt Du an laufenden Arbeiten noch erledigen?
Ich habe lange auch mit liegengebliebenen Arbeiten gekämpft und versucht, gleichzeitig „normal“ weiterzumachen mit dem Studium – hätte ich mir zwischendrin mal ein Semester Auszeit genommen und nur das Liegengebliebene zuende geführt, hätte ich diesen Berg schneller abtragen können…
Hier sind die Dinge, die in meiner Trickkiste obenauf liegen:
1. Arbeitszeit eingrenzen und Freizeit
Ich habe lange den Fehler gemacht (und gelegentlich, wenn ich den Zeitdruck spüre, mache ich ihn heute noch), zu denken, daß ich kein Leben neben dem Studium haben darf. Bloß keine Projekte nebenher. Natürlich habe ich trotzdem andere Sachen gemacht und dabei ein rebellisches „Das nehm ich mir jetzt!“-Gefühl gehabt, danach ein schlechtes Gewissen. Und dann wollte ich natürlich erst recht nicht mehr ans Arbeiten denken – verflixter Teufelskreis!
Ein Psychologe meinte zu mir mal: Jede Planung fängt mit der Planung der Freizeit an. Das wollte ich natürlich nicht glauben, aber auf die lange Sicht ist es wichtig, nicht im Ausnahmezustand zu leben, keine „Gefängnisstrafe“ aus dem Studium zu machen. Mir hilft es, die Studienzeit zu begrenzen und, sagen wir, um 20 Uhr (ich bin eine Spät-Arbeiterin) zu sagen: Feierabend! Allein schon, weil irgendwann solche Dinge wie Essen, Körperpflege, Kommunikation usw. ja auch stattfinden müssen.
In der letzten Lernphase ging es allerdings auch, daß ich mich nach dem Abendessen usw. noch einmal eine Stunde hingesetzt habe, aber da hatte ich dann auch schon Freizeit gehabt.
Entscheidend ist für mich gar nicht mal die [i]Quantität[/i] der Freizeit, sondern die Balance zwischen Leben und Arbeit und die Qualität der Freizeit. Sie soll wirklich erholsam sein. Dementsprechend gönne ich mir auch das eine oder andere Vorhaben nebenher, das Spaß macht und Befriedigung bringt.
2. Agenda
Ich schreibe mir oft am Montag eine Agenda für die Woche. Wenn ich alles aufgelistet habe, was ich diese Woche vorhabe, vergebe ich Prioritäten, ungefähr:
Rot – objektiv dringend (z.B. Bücher, die ablaufen und nicht zu verlängern sind)
Blau – muß gemacht werden, scheint dringend, kann aber (wenns sein muß) noch warten
Gelb – das wäre schön, muß aber nicht unbedingt sein, auch Sachen, die noch länger warten können
Und dann versuche ich, jeden Tag einen Punkt von jeder Kategorie zu erledigen. Ich streiche erledigte Aufgaben grün durch, damit ich sie von weggefallenen Aufgaben unterscheiden kann. Meistens steht am Sonntag immer noch was drauf, und meistens kommt im Lauf der Woche noch was dazu. That’s life. Wenn ich am Sonntag zumindest nichts Rotes mehr dastehen habe, bin ich zufrieden.
3. Arbeitstagebuch
Ich führe ein Arbeitstagebuch, in das ich reinschreibe, was ich wann an welchem Ort gemacht habe, mit ein, zwei Worten zum Gefühl dabei und zur Zufriedenheit. Das hilft mir 1. gegen das „Ich hab gar nix getan!“-Gefühl und 2. kann ich damit feststellen, wann und wo ich am besten arbeite, wieviel Arbeitszeit ich realistischerweise in einem Tag unterbringen kann, ohne mich kaputtzumachen, was wieviel Zeit in Anspruch nimmt und welche Arbeiten ich tendenziell am längsten vor mir herschiebe – also zusammenfassend: es erlaubt mir, mein Arbeitsverhalten zu analysieren und dementsprechend auch realistischer zu planen.
4. Einzelschritte
Ich zerlege die anstehende Arbeit, soweit möglich, in Einzelschritte. Das macht das Ganze besser zu bewältigen und überhaupt erst planbar. Ich vergleiche wissenschaftliche Arbeit gerne damit, einen Berg zu besteigen. Wenn ich zu Fuß auf einen Sechstausender rauf will, gehe ich ja nicht einfach los, sondern ich schaue mir eine Karte an: wo kann ich lang, wie weit ist das, wo kann ich mich unterwegs versorgen, wo kann ich übernachten, was muß ich mitnehmen ins Basislager?
Wenn ich diese Einzelschritte habe, macht das zugleich den Fortschritt fühlbarer, ich finde es immer schon befriedigend, wenn ich einen davon als erledigt abhaken kann.
5. Übersicht behalten
Ich verschaffe mir immer wieder Übersicht: Wo stehe ich in meinem Projekt? Was ist schon gemacht, was muß noch sein, wie weit bin ich mit einzelnen Teilaufgaben? Es ist manchmal unangenehm, die eigene Planung revidieren zu müssen, aber der „Uhrenvergleich“ mit der Realität muß sein. Um im Bergsteigerbild zu bleiben: Wenn das Wetter gut ist, kann ich lange Tagesetappen gehen, wenn ich dagegen feststelle, daß die Route, die auf der Karte gangbar aussah, doch nicht begehbar ist (sei es, weil ich die Steigung falsch eingeschätzt habe, weil die Karte veraltet war oder weil da gestern ein Bergrutsch niedergegangen ist), muß ich eine andere suchen. Beim Bergsteigen muß ich mich auch aufs Wetter einstellen, und wenn es stürmt, tue ich mir keinen Gefallen damit, dann eine Gletscherüberquerung zu wagen.
Ich habe z.B. auch gerne eine Bücherliste dabei, auf der alle Bücher draufstehen, die ich für das jeweilige Projekt brauche, und ggf. auch, ob ich sie besorgt habe, wo sie stehen etc. – für Literaturverwaltung kann ich übrigens nur empfehlen, sich ein Bibliographieprogramm zuzulegen. Dazu gab’s hier auch schon mal einen Thread.
6. Kreative Methoden
Ich weiß nicht, ob Dir Mindmapping, Clustering, Brainstorming, Rapid Writing etc. was sagen. Ich möchte jedenfalls nicht mehr ohne diese Methoden arbeiten – dazu gibt’s aber auch reichlich Bücher.
Viele Grüße
xx
2 Antworten zu “Das Gründungsdokument der Schreibstube”
Studiere nicht, und bin nicht schreibgewandt, aber habe ähnliche Probleme – danke für die Struktur 🙂
Danke für den Kommentar. Der Link war mir jedoch ein bißchen zu werblich, ich habe ihn rausgenommen – Werbelinks möchte ich mir doch gerne selber aussuchen können und auch bezahlt bekommen.