Handwerkszeug I: Das Notizbuch


Seit zehn Jahren begleitet mich täglich ein Notizbuch. Ursprünglich habe ich diese Idee aus einem Ratgeber für Kreatives Schreiben, der empfahl, immer ein „Sudelbuch“ bei sich zu haben. In diesem Notizbuch halte ich alles fest, was mir einfällt, ob das nun eine Idee für einen Artikel hier, eine Antwort auf eine private e-mail, eine Idee für eine Geschichte, ein Internetprojekt oder sonst irgendetwas ist. (Für To-Do-Listen verwende ich nach wie vor allerdings eher Karteikarten und digitale Tools.) Das Notizbuch ist ein Ort für Brainstorm, Freewriting, schnelles Festhalten von Geistesblitzen, ein Ort zum (Aus)Spinnen von Ideen. Von der Stichwortliste über Fließtext, Diagramme, Zeichnungen bis zur Mindmap ist fast jede Form von Notizen vertreten.

Mein Notizbuch, als sozusagen ausgelagerter Teil meiner kreativen Prozesse, enthält auch das eine oder andere Lächerliche, Peinliche, vollkommen ins Unreine gedachte oder aus irgendeinem anderen Grund äußerst Intime, darum zeige ich es nicht einmal meiner besten Freundin. Erst dieses Tabu gibt mir die Freiheit, vollkommen frei vor mich hin schreibend Dinge darin zu entwickeln und erst nach dem Niederschreiben kritisch zu bewerten. Diese Art des Notierens ist eine Gewohnheit, die man sich erst aneignen muß: in den ersten Wochen mag es einem seltsam vorkommen, in der S-Bahn das Notizbuch auszupacken und eine Gedichtstrophe oder eine Idee für den ersten Satz der Hausarbeit zu notieren. Für mich ist das mittlerweile vollkommen normal.

Natürlich gibt es im digitalen Zeitalter auch etliche digitale Lösungen, und ich persönlich benutze durchaus beides parallel – sitze ich gerade am Computer, fange ich Ideen z.B. mit Evernote oder auch mit einfachen Textanwendungen (unter Windows z.b. das Notepad oder Kate unter Linux) ein. Habe ich jedoch ein wirklich kniffliges intellektuelles Problem zu lösen oder auch nur einen diffizilen Text zu entwerfen, greife ich oft doch zu Papier und Füller; in meiner Studienzeit habe ich Exzerpte grundsätzlich handschriftlich angefertigt, da es mir vor dem Computer nicht so leicht fiel, den Text in ganzer Tiefe zu durchdringen.

Besser analog oder digital?
Mit welcher Lösung man besser fährt, ist umstritten. Leo Babauta etwa schwört zum Festhalten von Ideen aus praktischen Gründen auf Papier:

I recommend analogue (paper) over digital for this habit, but if your PDA or smartphone works for you, go for it. The reason I think analogue works better is that it’s much faster — for digital, you not only have to pull it out, but you have to turn it on, go to the right program, click on an entry, and then enter through your entry system. With analogue, you just pull out the notebook and pen and write. Either way works, but I think that the simpler and easier the tools, the more likely you are to use them. Do what works for you, though. 1

Für mich persönlich ist Papier da überlegen, wo Freiheit und Intuition wichtig sind. Die freie, intuitive Gestaltung, die Papier und Stift ermöglichen, wirkt anregend auf meinen kreativen Fluß. Man vergleiche einmal Mindmapping mit Mindmapping-Software und Mindmaps, die mit Papier und Stift entstanden sind. Zusätzlich bleibe ich vor dem Computer (aus welchen Gründen auch immer) eher in eingefahrenen Denkmustern stecken als vor einem Blatt Papier oder meinem Notizbuch.

Joe Falconer listet in einem sehr ausführlichen Artikel auf lifehack.org pro und contra beider Möglichkeiten auf und überläßt am Ende dem Leser die Wahl:

Note taking is one of those things where the best course of action is totally dependent on what you need to do. Do you need to sketch ideas for your graphic design job? Go paper. Do you need to keep track of shopping lists, things you’ve got to do tomorrow and ideas for articles? Go digital. Need the benefits of both? Then go with both. 2

Letztlich ist es eine Sache des Geschmacks und der technischen Ausstattung, ob man sich lieber auf digitale oder analoge Notizen verläßt. Für mich persönlich ergänzen sich digitale und analoge Notizen ganz hervorragend – jedes hat seinen Platz.

  1. Leo Babauta, http://zenhabits.net/2007/04/ztd-habit-1-collect/
  2. Joe Falconer, http://www.lifehack.org/articles/productivity/the-art-of-note-taking-in-the-digital-age.html

2 Antworten zu “Handwerkszeug I: Das Notizbuch”

  1. Ich finde ebenfalls, dass ein Notizbuch eine grundlegende Hilfe dafür ist, seine Gedanken zu ordnen (und sich überhaupt erst zu merken: meistens hat man die besten ja in der Regel zwischendurch) und in einen Schreibprozess einzutreten. Ich habe zwar auch ein Notizbuch, schreibe aber im Akutfall meistens auf Zettel, Karteikarten, Flyer, Einkaufszettel, Unikladden oder Buchränder und da ist immer viel zu wenig Platz, es ist unorganisiert und man verliert seine Notizen dabei leider oft genug, wenn man sie nicht sofort zuhause überträgt.
    Und die Schreiberfahrung ist so abhängig vom Schreibmaterial, kann man nicht oft genug betonen. Ich glaube manchmal, dass ein guter Kuli oder ein bestimmtes Papierformat mich schreiben kann 😉
    Alles in allem wollte ich aber nur dein ausgezeichnetes Blog loben, dessen Idee, Themen, Stil mir unwahrscheinlich gut gefällt. Gefunden habe ich es eher zufällig über NuS, obwohl ich da seit Jahren nicht mehr aktiv bin.

  2. Hallo Nathalie,

    danke für das Lob und ja, das Material habe ich in diesem Post vielleicht etwas vernachlässigt. Die kinästhetisch-taktile Erfahrung ist mit Füller und Papier schon eine ganz andere. Diese Materialabhängigkeit ist aber auch nichts Neues: Goethe z.B. hatte für nächtliche Einfälle Papier und Bleistift auf seinem Pult liegen – Bleistift, weil ihn das Kratzen der Feder zu sehr aufgeweckt hätte, wenn er im Halbschlaf einen Einfall notierte.
    Unterwegs schreibe ich aber auch mit Kugelschreiber, das finde ich dann doch praktischer.